Anwaltshaftung – Burnout keine Entschuldigung für fehlende Vertretung
9. Januar 2019 | Constantin Behrschmidt
Die Anwaltstätigkeit kann ein anstrengender Beruf sein, der auch psychisch belastend ist. Erfolgsdruck, Arbeitsüberlastung und hohe Verantwortung gehen nicht selten an die Substanz und fordern ihren Tribut. Von daher überrascht es nicht, dass mancher Anwalt Burnout bereits am eigenen Leib erfahren hat.
Das Gefühl des „Ausgebranntseins“ und der permanenten Überforderung kann irgendwann zu völliger emotionaler Erschöpfung führen und zu „Fehlleistungen“ im Beruf. Dann stellt sich unter Umständen auch die Frage der Anwaltshaftung. Um genau einen solchen Fall ging es bei einer Entscheidung des BGH im vergangenen Jahr (BGH, Beschluss vom 10.4.2018 – Az.: VI ZB 44/16).
Symptome der Krankheit nicht erkannt
Dem Fall lag ein juristischer Streit wegen einer möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit einem Zeitungsartikel zugrunde. Ein Rechtsanwalt hatte sich in dem Streit selbst vertreten und auf eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro geklagt. Die Klage wurde vom zuständigen Landgericht abgewiesen. Der Anwalt legte daraufhin Berufung beim entsprechenden Oberlandesgericht ein, versäumte aber die Berufungsbegründungsfrist. Später beantragte der Anwalt beim Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und legte gleichzeitig eine Berufungsbegründung vor.
Als Erklärung für das Fristversäumnis gab er an, plötzlich an Burnout erkrankt zu sein. Da dies für ihn das erste Mal gewesen sei, habe er die Symptome der Krankheit nicht richtig deuten können. Aus diesem Grund sei er auch nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig eine Vertretung zu organisieren, die sich um die fristgemäße Erledigung der Berufungsbegründung habe kümmern können.
Der Anwalt lebte zum Zeitpunkt der Erkrankung auf einer Nordseeinsel und arbeitete dort als Einzelanwalt ohne eigenes Personal. Außer ihm waren noch vier weitere Rechtsanwälte auf der Insel tätig. Von diesen sei aber schon bei früheren Anfragen wegen einer Urlaubsvertretung keiner zum Einspringen bereit gewesen. Dem Gericht genügte diese Erklärung nicht. Es lehnte die Wiedereinsetzung und damit auch die Berufung ab. Der Anwalt legte darauf Rechtsbeschwerde beim BGH ein.
Burnout und Insellage zählen nicht
Der BGH entschied mit seinem Beschluss gegen den Anwalt und bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichtes. Ein Rechtsanwalt müsse allgemeine Vorkehrungen treffen, dass Fristwahrungen auch dann sichergestellt seien, wenn ein unerwarteter Ausfall eintrete. Dazu seien rechtzeitige Absprachen im Zustand der Gesundheit erforderlich. Das gelte für einen Einzelanwalt ohne eigenes Personal in besonderem Maße. Der BGH wies auch das Argument der vermeintlich nicht vertretungsbereiten Anwälte auf der Insel zurück. Für eine Vertretung sei genauso ein Kollege auf dem Festland in Betracht gekommen.
Im vorliegenden Fall ging es um einen „Eigenschaden“ von überschaubarer Höhe. Das muss bei anderen Fällen von anwaltlichen Versäumnissen infolge unerwarteter Erkrankungen nicht so sein. Gut wenn ein adäquater Vermögenshaftpflichtschutz besteht, der dann ggf. Schadensersatz leistet.
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