Bürgerversicherung, Sondierung & Koalitionsverhandlungen – was bedeutet das für die Krankenversicherung?
1. Februar 2018 | Constantin Behrschmidt
Am 24. September 2017 wurde der 19. Deutsche Bundestag gewählt. Mehr als vier Monate danach wartet die Bundesrepublik immer noch auf eine neue Bundesregierung. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen und den Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD sind die Koalitionsverhandlungen der nächste Schritt.
Die Gespräche dazu sind inzwischen gestartet und finden auf der Grundlage des in der ersten Januarhälfte ausgehandelten Sondierungspapiers statt. Es bildet den Rahmen für die Gespräche. Ob es tatsächlich zur Neuauflage der „GroKo“ kommen wird, hängt vom anvisierten SPD-Mitgliederentscheid ab. Der ist kaum vor Ende Februar/Anfang März zu erwarten. Das Ergebnis ist offen.
Nur eine halbe Seite im Sondierungspapier
Ein ebenso wichtiges wie auch strittiges Thema bei den Verhandlungen ist die Gesundheitspolitik. Im Bundestagswahlkampf hatte die SPD die Forderung nach dem Einstieg in die Bürgerversicherung erhoben und sie im Vorfeld der Sondierungsverhandlungen nochmals vehement wiederholt. Im Sondierungspapier ist davon de facto nichts mehr zu finden. Das Projekt Bürgerversicherung – gleichbedeutend mit einer langfristigen Abschaffung oder „Austrocknung“ der privaten Krankenversicherung – ist durch den Widerstand der Union erst einmal ausgebremst. Insgesamt behandelt das Sondierungspapier die Gesundheitspolitik nur sehr knapp. Die Ausführungen dazu umfassen eine gute halbe Seite in dem insgesamt 28 Seiten starken Papier. Darin findet sich folgendes recht allgemeine Ziel:
„Kranke, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung müssen auf die Solidarität der Gesellschaft vertrauen können. Wir werden sicherstellen, dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort.“
Als konkrete Maßnahme wird dann festgehalten:
„Wir werden die Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen. Die Beiträge zur Krankenversicherung sollen künftig wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet werden.“
Diese Einigung entspricht einer SPD-Forderung. Bei einer Umsetzung müssten die Arbeitgeber künftig die Hälfte der Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung tragen. Sie werden bisher von den Arbeitnehmern alleine gezahlt.
Ansonsten enthält das Sondierungspapier noch die Absicht, schrittweise eine kostendeckende Bezuschussung der Krankheitskosten von Hartz IV-Beziehern aus Steuermitteln einzuführen. Die heutigen Zuschüsse sind bei weitem nicht ausreichend. Außerdem sollen die Mindestbeiträge bei der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für kleine Selbständige reduziert werden. Hier gilt bislang ein fiktives monatliches Mindesteinkommen von 2283,50 Euro (2018) für die Beitragsbemessung, das häufig tatsächlich nicht erreicht wird. Dadurch sind solche Selbständigen überproportional mit Krankenkassenbeiträgen belastet.
Kaum Auswirkung für Krankenversicherung von Anwälten
Fasst man diese Ergebnisse zusammen, ändert sich an der bestehenden Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung nichts. Damit dürfte auch die Krankenversicherung für Rechtsanwälte nur wenig berührt werden.
- Rechtsanwälte, die privat krankenversichert sind, werden dies auch weiterhin bleiben können.
- wer als selbständiger Rechtsanwalt freiwillig Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, zahlt die Beiträge ohnehin zu hundert Prozent selbst. Daran wird sich nichts ändern. Der Entlastungseffekt für diese Gruppe ist daher Null. Die in Aussicht genommene Absenkung der Mindesteinkommensgrenze dürfte nur für wenige Anwälte relevant sein.
- angestellte Rechtsanwälte in der gesetzlichen Krankenversicherung können sich über eine kleine Entlastung freuen, wenn der Arbeitgeber künftig die Hälfte des Zusatzbeitrags übernehmen muss. Die Ersparnis bewegt sich je nach Einkommen und Beitragssatz in einer Größenordnung von wenigen Dutzend Euro im Monat.
Koalitionsverhandlungen – Angleichung von Arzthonoraren?
Also mehr oder weniger „Alles beim Alten“? Vielleicht nicht ganz – denn in den laufenden Koalitionsverhandlungen spielt die Gesundheitspolitik noch mal eine größere Rolle. Sie ist Teil der Verhandlungsmasse, um die von der SPD geforderten „Nachbesserungen“ zu bedienen. Die Bürgerversicherung ist zwar vermutlich vorerst passé, aber vor allem beim Thema „Arzthonorare“ könnte es doch noch Bewegung geben. Die unterschiedliche Honorierung von Ärzten bei Kassen- und Privatpatienten ist vielen ein Dorn im Auge, weil sie eine Bevorzugung von Patienten mit der besseren Honorierung begünstigt. Das spielt vor allem bei Terminvergaben eine Rolle. Das polemische Schlagwort dazu heißt „Zwei-Klassen-Medizin“.
Dass Ärzte künftig bei Behandlungen von gesetzlich und privat Versicherten gleich abrechnen können, ist vermutlich nicht zu erwarten. Aber es könnte zumindest eine Annäherung geben, indem die bisher bescheidenen Abrechnungsmöglichkeiten bei Kassenpatienten aufgestockt werden. Dabei geht es um keine kleinen Summen. Obwohl Privatversicherte nur 10,6 Prozent der Patienten in Arztpraxen ausmachen, tragen sie zu 26,3 Prozent zu den Umsätzen bei. Würden Ärzte Privatpatienten genauso wie Kassenpatienten abrechnen, bedeutete das für sie einen Einnahmeverlust von rund 4,5 Milliarden bis 5 Milliarden Euro im Jahr. Man darf gespannt sein, zu welcher Lösung die voraussichtlichen Koalitionspartner in diesem Bereich kommen werden. Die Verhandlungen sollen zügig – möglichst noch vor Karneval – abgeschlossen werden.
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