Haftungsrisiken ausreichend versichert? FISG-Haftung bei Verweisungstätigkeiten berücksichtigen!
Der Wirecard-Skandal gab im Jahr 2021 den Anstoß für das sogenannte Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – kurz: FISG. Das am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz hat die Prüfertätigkeit strenger reguliert und deutlich höhere Haftungsgrenzen im Zusammenhang mit gesetzlichen Abschlussprüfungen eingeführt. Galten vorher Haftungshöchstgrenzen von einer bzw. vier Mio. Euro, wurden diese durch das FISG um ein Mehrfaches aufgestockt.
Für grob fahrlässige Fehler bei Prüfungen von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften haften Prüfer sogar erstmals unbeschränkt. Bis zur Neuregelung galt die unbeschränkte Haftung nur bei Vorsatz.
Haftung nach dem FISG (§ 323 Abs. 2 HGB) | bei fahrlässigen Prüfungsfehlern | bei grob fahrlässigen Prüfungsfehlern | bei Vorsatz |
---|---|---|---|
bei Prüfung von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften | 16 Mio. EUR | unbegrenzt | unbegrenzt |
bei Prüfung von Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind | 4 Mio. EUR | 32 Mio. EUR | unbegrenzt |
bei Prüfung von sonstigen Kapitalgesellschaften | 1,5 Mio. EUR | 12 Mio. EUR | unbegrenzt |
Diese Verschärfungen sind wesentlich durch die Prüfungsfehler der WP-Gesellschaft EY bei Wirecard motiviert. Jahrelang hatten die EY-Prüfer trotz erheblicher Unklarheiten den Abschlüssen des Zahlungsdienstleisters ihre Testate erteilt.
Als sich große Teile der Wirecard-Bilanz als „Luftbuchungen“ erwiesen – vermeintliche Gelder auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Mrd. Euro existierten schlichtweg nicht -, war der Schaden für den Finanzplatz Deutschland groß. Mit dem FISG wollte der Gesetzgeber weiteren Fällen dieser Art vorbeugen und die Prüfer stärker in die Pflicht nehmen.
Erweiterte FISG-Haftung auch bei Verweisungstätigkeiten
Da der Fokus auf der Haftung bei Jahresabschlussprüfungen lag, wurde zunächst wenig wahrgenommen, dass das Gesetz auch die Haftung im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe weiterer Prüfungstätigkeiten ausgeweitet hat. Dies geschah praktisch automatisch, weil Regelungen zu diesen Tätigkeiten auf die Prüferhaftung in § 323 Abs. 2 HGB verweisen. Daher spricht man auch von Verweisungstätigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel:
- aktienrechtliche Sonderprüfungen (§ 258 Abs. 5 S. 1 AktG)
- Gründungs- und Nachgründungsprüfungen (§ 49, 53 AktG)
- Prüfungen bei Eingliederungen (§ 320 Abs. 3 AktG)
- Prüfungen bei Verschmelzung und Aufspaltung (§§ 11 Abs. 2, 125, 176 Abs. 1, 197 UmwG)
- Prüfungen von Unternehmensverträgen (§ 293d Abs. 2 AktG)
- Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung (§ 327c Abs. 2 AktG)
- Prüfungen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (§ 30 KWKG)
- prüferische Durchsichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (§ 115 Abs. 5 Satz 7 WpHG)
- externe Qualitätskontrollen gemäß Wirtschaftsprüferordnung (§ 57b Abs. 4 WPO)
Aufgrund einer fehlenden Übergangsregelung im Gesetz greift diese höhere Haftung bei Verweisungstätigkeiten bereits seit dem FISG-Inkrafttreten zum 1. Juli 2021. Betroffen sein davon können nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch vereidigte Buchprüfer und Steuerberater mit entsprechenden Prüfungsmandaten.
Bestehenden Berufshaftpflichtschutz auf Angemessenheit überprüfen
Angesichts der deutlich ausgeweiteten Haftung nach dem FISG sollten diese Berufsträger daher prüfen, ob ihr bestehender Berufshaftpflichtschutz noch ausreichend ist. Das gilt nicht nur im Hinblick auf laufende Mandate, sondern auch für mögliche künftige. Die Experten von Behrschmidt & Kollegen stehen dabei gerne mit Rat und Tat zur Seite. Wir kümmern uns bei Bedarf um eine Anpassung des Berufshaftpflichtschutzes und stehen auch sonst für Optimierungen zur Verfügung.
Kategorie: Berufshaftpflichtversicherung, FISG, Wirtschaftsprüfer
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