Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität – Was ist versicherungstechnisch zu beachten?
Am 1. Juli 2021 ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität – kurz FISG – in Kraft getreten. Es enthält eine Reihe neuer Anforderungen an die Bilanzkontrolle von Unternehmen. Im Fokus stehen vor allem börsennotierte Unternehmen. In diesem Zusammenhang sind neue Regeln für die Bestellung und Tätigwerden von Wirtschaftsprüfern eingeführt worden.
Last but not least wurde die Haftung von Wirtschaftsprüfern bei Abschlussprüfungen deutlich erweitert – mit erheblichen Auswirkungen auf den notwendigen Berufshaftpflichtschutz. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung ist der Wirecard-Fall. Jahrelang hatte der ehemalige DAX-Star aus Aschheim bei München in ungeahntem Ausmaß seine Bilanzen gefälscht.
Trotz Fragezeichen hatte die mit der Abschlussprüfung beauftragte WP-Gesellschaft EY – einer der Big Four – die Abschlüsse testiert. Erst am Schluss gab es bei der Testierung ernsthafte Schwierigkeiten. Als die Bilanzmanipulationen aufflogen, war nicht nur der Schaden für den Finanzplatz Deutschland groß, auch der Ruf der Wirtschaftsprüfer hatte erheblich gelitten.
Haftung des Abschlussprüfers durch FISG deutlich erweitert
Mit der Erweiterung der Haftung in Rahmen des FISG wird der Berufsstand jetzt stärker in die Pflicht genommen. Zu diesem Zweck wurde die einschlägige handelsrechtliche Vorschrift zur Verantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers bei Abschlussprüfungen – § 323 HGB – neu gefasst.
Bisher galt für fahrlässige Versäumnisse eine Haftungsbeschränkung auf eine Million EUR bei Prüfungen. Sie erhöhte sich bei Prüfung von am regulierten Markt notierten Aktiengesellschaften auf vier Millionen EUR.
Die neue Haftungsregelung ist deutlich weiter und differenzierter. Zum einen wird der Haftungsumfang differenziert nach
- Einfache/Leichte Fahrlässigkeit
- Grober Fahrlässigkeit
- Vorsatz
zum anderen wird durch den neu eingefügten § 316a HGB nach zu prüfenden Unternehmen unterschieden in
- Kapitalmarktorientierte Unternehmen
- CRR-Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen
- Unternehmen, die nicht von öffentlichem Interesse sind.
Den Haftungsumfang der Abschlussprüfer nach neuem Recht
Haftung nach dem FISG (§ 323 Abs. 2 HGB) | bei fahrlässigen Prüfungsfehlern | bei grob fahrlässigen Prüfungsfehlern | bei Vorsatz |
---|---|---|---|
bei Prüfung von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften | 16 Mio. EUR | unbegrenzt | unbegrenzt |
bei Prüfung von Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind | 4 Mio. EUR | 32 Mio. EUR | unbegrenzt |
bei Prüfung von sonstigen Kapitalgesellschaften | 1,5 Mio. EUR | 12 Mio. EUR | unbegrenzt |
Wegfall des Maximierungsverbots beim vorgeschriebenen Mindestschutz
Im Unterschied zur Haftungserweiterung ist es im Hinblick auf den vorgeschriebenen Berufshaftpflichtschutz bei der Mindestversicherungssumme von einer Million Euro geblieben. Nichtsdestotrotz gibt es eine Änderung. Bisher war es nicht zulässig, die Jahreshöchstleistung zu begrenzen. Das ist jetzt anders. § 54 Abs. 4 WPO als einschlägige Norm erlaubt nunmehr eine Begrenzung auf das Vierfache des Mindestversicherungssumme – also vier Millionen EUR. Für WP-Gesellschaften gilt eine Vervielfältiger-Regel entsprechend der Zahl der Beteiligten.
Das bedeutet sogar eine Erleichterung für Wirtschaftsprüfer, die in den Genuss der Regelung kommen. Die Begrenzung darf allerdings gemäß einer Übergangsregelung (§ 135 WPO) frühestens für das kommende Jahr vereinbart werden. Die Beibehaltung der Anforderungen an den Mindestversicherungsschutz mit der genannten Erleichterung ist der Tatsache geschuldet, dass nur etwa jede vierte WP-Kanzlei als Abschlussprüfer registriert ist, für die jetzt die höhere FISG-Haftung gilt. Die ursprünglich vorgesehene Anhebung der Mindestversicherungssumme auf zwei Millionen EUR ist vom Gesetzgeber fallengelassen worden, um die von der Haftungserweiterung nicht betroffenen Wirtschaftsprüfer nicht unnötig mit höheren Versicherungsprämien zu belasten.
Solche Prüfer können mit dem Wegfall des Maximierungsverbots und der Möglichkeit, eine Jahreshöchstleistung zu vereinbaren, ihren Versicherungsschutz sogar „nach unten“ anpassen und ggf. bei den Prämien sparen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass mögliche vorformulierte Haftungsbegrenzungen an einen ausreichenden Versicherungsschutz gebunden sind und eine Reduzierung der Versicherungssumme eine mögliche Unwirksamkeit der Haftungsbegrenzung verursacht. Eine mögliche Prämieneinsparung sollte hierbei nicht der treibende Punkt in Sachen Berufshaftpflichtversicherung sein. Auf jeden Fall ergibt sich aus dem FISG selbst keine Anpassungsnotwendigkeit beim bestehenden Berufshaftpflichtschutz.
Erweiterte FISG-Haftung auch bei Verweisungstätigkeiten
Da der Fokus auf der Haftung bei Jahresabschlussprüfungen lag, wurde zunächst wenig wahrgenommen, dass das Gesetz auch die Haftung im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe weiterer Prüfungstätigkeiten ausgeweitet hat. Dies geschah praktisch automatisch, weil Regelungen zu diesen Tätigkeiten auf die Prüferhaftung in § 323 Abs. 2 HGB verweisen. Daher spricht man auch von Verweisungstätigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel:
- aktienrechtliche Sonderprüfungen (§ 258 Abs. 5 S. 1 AktG)
- Gründungs- und Nachgründungsprüfungen (§ 49, 53 AktG)
- Prüfungen bei Eingliederungen (§ 320 Abs. 3 AktG)
- Prüfungen bei Verschmelzung und Aufspaltung (§§ 11 Abs. 2, 125, 176 Abs. 1, 197 UmwG)
- Prüfungen von Unternehmensverträgen (§ 293d Abs. 2 AktG)
- Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung (§ 327c Abs. 2 AktG)
- Prüfungen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (§ 30 KWKG)
- prüferische Durchsichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (§ 115 Abs. 5 Satz 7 WpHG)
- externe Qualitätskontrollen gemäß Wirtschaftsprüferordnung (§ 57b Abs. 4 WPO)
Aufgrund einer fehlenden Übergangsregelung im Gesetz greift diese höhere Haftung bei Verweisungstätigkeiten bereits seit dem FISG-Inkrafttreten zum 1. Juli 2021. Betroffen sein davon können nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch vereidigte Buchprüfer und Steuerberater mit entsprechenden Prüfungsmandaten.